Das niederländische Tech-Start-Up Table Duck mit Sitz in Alkmaar entwickelt textbasierte Selfservice-Chatbots für die Gastronomie, die auf künstlicher Intelligenz gestützt sind und über Plattformen wie Facebook mit Gästen interagieren können. Eine neuartige Entwicklung, die in der Branche Wellen geschlagen hat. Der Chatbot Namens Marc soll künftig das Personal in Restaurants entlasten, indem er die Bestellannahme und Zahlungsabwicklung übernimmt. Wir haben mit Robbert und Mathijs, den Gründern von Table Duck, gesprochen, um mehr über Marc und seine Geschichte zu erfahren.
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Robbert und Mathijs, bei der INTERNORGA 2019 habt ihr euren Selfservice-Chatbot für die Gastronomie vorgestellt. Wie kamt ihr zu der Idee?
Robbert: Ich hatte bereits längere Zeit darüber nachgedacht, wie man den Dienst in der Gastronomie besser und schneller hinbekommen könnte. In meinem Kopf schwirrte damals noch eine Art Bestell-App für Musikfestivals herum.
Mathijs: Zu dieser Zeit war ich bei der SXSW (South by Southwest, einer grossen Tech-Konferenz in Texas, USA) und habe mir einen Vortrag über Chatbots angehört. Die präsentierten Chatbots waren allesamt lustig, jedoch gänzlich ungeeignet für kommerzielle Zwecke. Nichtsdestotrotz war ich fasziniert von den vielen Möglichkeiten und liess mich von den Idee inspirieren. Als ich Robbert davon erzählte, waren wir uns schnell einig: Dies könnte die ideale Technologie sein, um Robberts Idee umzusetzen. Also beschlossen wir, eine Firma zu gründen. Das war die Geburtsstunde von Table Duck.
Tatsächlich arbeitet ihr immer noch gleichzeitig in euren “normalen” Jobs. Wie kommt ihr mit dieser doppelten Belastung zurecht?
Robbert: Genau, ich arbeite nach wie vor für Unilever und entwickle neue Geschäftsmodelle. Aber wenn sich Table Duck so schnell weiterentwickelt wie jetzt, werde ich den Job wahrscheinlich eines Tages kündigen.
Mathijs: Ich leite eine Internetagentur mit einigen ziemlich grossen, bekannten Kunden. Hier kann ich jeden Tag mit neuen Technologien experimentieren und sie verbessern. Ich sehe die Belastung eher positiv, da ich mir in Job A viel Wissen aneigne, was ich dann in Job B gut einbringen kann.
Wie konnte ein Zwei-Personen-Start-up den ersten Self-Ordering Chatbot für die Gastronomie entwickeln? Haben die grossen Unternehmen der Branche das Thema übersehen oder absichtlich ignoriert?
Robbert: Grosse Konzerne möchten sich bei innovativen Tools keinem hohen Risiko aussetzen und warten erstmal lieber ab, wie sich die Dinge entwickeln.Wir sehen aber auch, dass einige amerikanische Ketten diese Technologie bereits aktiv testen.
Ihr habt den Chatbot Marc nun erfolgreich in den ersten Restaurants installiert. Wie genau funktioniert das Self-Ordering-System?
Robbert: Der Gast durchläuft mehrere Schritte. Zunächst sieht er ein Schild auf seinem Tisch mit der Information, dass er auch über den Messenger-Chat bestellen kann, welchen er über einen QR-Code, einen NFC-Clip oder über einen Website-Link erreichen kann. Der Gast landet dann auf einer Seite, auf der er die Messaging-Plattform auswählen kann. Derzeit sind Facebook Messenger und Webchat verfügbar, in Zukunft kommen aber auch andere Plattformen wie WhatsApp, Google Assistant und Twitter dazu. Dann beginnt der Gast zu chatten. Entweder tippt er im Chat auf die entsprechenden Schaltflächen oder er bestellt direkt mit gesprochenem Text, wie zum Beispiel “Ich will zwei Colas”. Der Prozess wird von Natural Language Processing (NLP) gesteuert, einem Zweig der künstlichen Intelligenz. Der Chat fragt dann nach der Tischnummer und der gewünschten Zahlungsmethode. Derzeit bieten wir Kreditkarten, PayPal und Apple Pay an. Nachdem eine Zahlungsmethode ausgewählt wurde, stellt der Chat eine Verbindung zum Zahlungsdienstleister her. Nachdem die Bestellung bezahlt wurde, geht sie zur Bearbeitung direkt an die Lightspeed-Kasse. Es mag zwar ein wenig kompliziert klingen, ist aber im Betrieb sehr intuitiv und selbsterklärend.
Und was genau ist an der ganzen Sache „künstlich intelligent”?
Mathijs: Die künstliche Intelligenz sagt voraus, was genau ein bestimmter Satz bedeutet. Zum Beispiel enthält der Satz “Zwei Biere, bitte” den Befehl (Bestellung), sowie Informationen über das gewünschte Produkt (Bier) und die gewünschte Menge (zwei). Jedoch kann man zwei Biere auch auf völlig unterschiedliche Arten bestellen, zum Beispiel “Kann ich bitte zwei Biere haben?”, “Zwei Bier” oder “Für mich gibt es zwei Bier”. Die künstliche Intelligenz interpretiert die Sätze und antizipiert die Absicht dahinter.
Ist es nicht ein bisschen weit hergeholt, über KI zu sprechen, nur weil ein maschinelles Lernen verwendet wird?
Mathijs: Das Verstehen einer Sprache ist eine äusserst komplizierte Aufgabe für einen Computer, also definitiv KI. Je häufiger unser Chat benutzt wird, desto intelligenter wird er und desto besser versteht er die Sprache und weiss, wie man sich im Gespräch verhält. Wir planen, künstliche Intelligenz zu verwenden, um den Chat in Zukunft noch geeigneter für den Verkauf zu machen. Dies funktioniert so, dass wir das Verhalten von Gästen analysieren und der Chat aktiv Produkte vorschlagen und empfehlen kann, die auf KI-Kenntnissen basieren.
Habt ihr keine Angst, dass eure Entwicklung zum Stellenabbau beiträgt?
Robbert: Menschen werden in Bars und Restaurants quasi ständig gebraucht, also wird es immer Arbeit geben. Durch den Fachkräftemangel in der Gastronomie ist es jetzt schon sehr schwierig, gute Leute zu finden und langfristig zu halten. Ein Chatbot wie Marc macht keine Ferien, wird nie krank oder müde. Auf ihn kann man sich verlassen.
Macht ein Chatbot die Restauranterfahrung nicht zu unpersönlich?
Mathijs: Unser Chatbot ist ein zusätzlicher Service für Gäste, die direkt bestellen und nicht auf den Kellner warten möchten. Das Bringen der Bestellung an den Tisch wird noch von einer Person durchgeführt – zumindest für den Moment.
Einige kritisieren die Tatsache, dass insbesondere junge Menschen das Smartphone in der Öffentlichkeit und in Restaurants übermässig viel nutzen, wodurch zwischenmenschliche Interaktionen verloren gehen. Tragen Chatbots wie Marc nicht in hohem Masse dazu bei?
Robbert: Viele Leute kommunizieren heutzutage überwiegend mit ihren Smartphones. Im Durchschnitt verbringen wir drei Stunden am Tag mit unseren Mobiltelefonen, hauptsächlich zum Chatten und Surfen in sozialen Netzwerken. In unserem Chat passen wir den Bestellprozess im Restaurant an dieses veränderte Verhalten an. Das bedeutet, dass Besucher noch mehr Zeit haben, um persönliche Gespräche miteinander zu führen, da sie nicht zum Bestellen und Bezahlen unterbrochen werden.
Viele Medien haben über euer Start-Up und euren Chatbot für die Gastronomie gesprochen. Wart ihr überrascht?
Robbert: Die hohe Anzahl an Artikeln hat uns ein wenig überrascht. Aber natürlich hatten wir insgeheim eine breite Resonanz erwartet, schliesslich haben wir etwas sehr Interessantes und Neues entwickelt. Die vielen positiven Reaktionen haben uns gezeigt, dass wir und in die richtige Richtung bewegen. Obwohl es sicherlich noch viel zu tun gibt.
Was denkt ihr, woher kommt dieses grosse Interesse?
Mathijs: Einerseits, weil niemand die Möglichkeiten von Chatbots für die Gastronomie so gut erforscht hat wie wir. Die Tatsache, dass Gäste über Facebook Messenger bestellen und bezahlen, ist wirklich neu.
Robbert: Andererseits wird es zunehmend schwieriger, gute Mitarbeiter zu finden. Dieses Problem kann durch die neueste Technologie gelindert, wenn nicht sogar gelöst werden. Immer mehr Restaurants erkennen dies und werden offener für neue Technologien.
Habt ihr manchmal Angst, dass euch Marc in Sachen Intelligenz übertrifft?
Mathijs: Nein, zumindest nicht in der nächsten Zeit. Die Art und Weise, wie KI funktioniert, erfordert immer noch zu viel menschliche Intervention. Sobald die künstliche Intelligenz ohne menschliches Eingreifen wirklich von selbst lernen kann, haben wir alle wahrscheinlich ein Problem.
Was sind die nächsten Schritte und wo seht ihr euch in fünf Jahren?
Robbert: Jetzt müssen wir erstmal die Aufnahmefähigkeit von Marc weiter verbessern. Unser Ziel ist es, dass Marc Kunden voll und ganz kennenlernt und ihnen kluge Empfehlungen gibt. So bereitet Marc dem Inhaber viele Zusatzverkäufe. Ich denke, wir werden in fünf Jahren schon viel näher an diesem Ziel dran sein.
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